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Modegeschichte

Das Brautkleid

Illustration: Brautkleid, 1922

Die Hochzeit und alle dazu gehörigen Rituale – Eheschließung, Brautkleid, Brautstrauß, Hochzeitsfeier, Hochzeitsnacht etc. - sind stark an traditionsreiche und symbolträchtige Bräuche gebunden. Die Ursprünge und Bedeutung dieser Bräuche sind häufig nicht sehr bekannt. Das klassische Brautkleid ist ein langes, hochgeschlossenes Kleid. Gleichzeitig spiegelt es auch immer die typische Mode seiner jeweiligen Zeit wider.

Die Ursprünge des Brautkleids

Die frühesten Aufzeichnungen von ritualisierter Eheschließung inklusive eines besonderen Kleides für die Braut stammen aus der römischen Antike, also aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. Im Römischen Reich war das Leben der Bürgerinnen und Bürger bis in die Privatsphäre den Gesetzen des Staates unterworfen. Der römische Staat regelte so per Gesetz die Kleidungsvorschriften seiner Bürgerinnen und Bürger. Auf individuelle Eigenheiten und persönlichen Geschmack musste verzichtet werden: Tradition, Sitte und feste Vorschriften bestimmten Farben, Muster und Formen der Kleidung.

Auch wurde die Ehe und Eheschließung selbstverständlich gesetzlich geregelt und unterlag einer Vielzahl von Ritualen, die eingehalten werden mussten. Mädchen galten ab 12 Jahren als heiratsfähig, Jungs ab 14 Jahren, die Eheschließung wurde häufig von den Familien arrangiert. Frauen, die mit 20 Jahren und Männer, die mit 25 Jahren immer noch unverheiratet waren mussten mit einer Strafe rechnen.

Die Kleidung der römischen Bürgerinnen und Bürger bestand aus verschiedenen genau definierten drapierten, gewickelten, geschnürten und geknoteten weißen oder naturfarbenen Woll- und Leinenstoffen, die Kleidung wurde aber je nach bürgerlichem Stand und militärischem Rang mit Purpurstreifen oder Goldfäden verziert.
Die Braut trug zur Hochzeit eine besondere weiße Tunika, die aus zwei auf den Schultern und an den Seiten unter den Armen zusammengenähten Stoffbahnen bestand und mit einem weißen speziell geknoteten Gürtel in der Taille gehalten wurde (den Knoten durfte nur der Ehemann in der Hochzeitsnacht öffnen). Darüber drapierte sie eine Palla, einen typischen Wickelmantel. Dazu trug sie einen gelben Schleier, eine besondere Brautfrisur und einen Myrtenkranz. Schleier, aufwendige Frisur und Blumen gehören seitdem zur typischen Brautausstattung.

Bunte Brautkleider

Im 15. und 16. Jahrhundert waren kräftige Grün-, Rot- und Blautöne beliebt für Brautkleider, die zusätzlich reich mit Gold- und Silberfäden bestickt wurden.
In Venedig trug die Braut dazu ihr Haar zu zwei hörnerartigen Gebilden über der Stirn frisiert, dies sollte die "Göttin der Keuschheit" symbolisieren. Das Einfärben von Stoffen war sehr kostspielig und das farbenprächtige Brautkleid repräsentierte Stand und Reichtum der Familie.
Einfache Frauen aus der arbeitenden Schicht heirateten dagegen in ihrem edelsten Kleid, dem schwarzen Sonntagskleid.

Das schwarze Brautkleid

Im 16. Jahrhundert stieg das spanische Königshaus zur politischen Großmacht auf. Der spanische Hof diktierte auch den modischen Geschmack und die strenge, steife und schwarze höfische Tracht wurde europaweit als "Spanische Mode" getragen.
So wurde das schwarze Brautkleid, das die Frömmigkeit der jungfräulichen Braut symbolisierte, auch für kurze Zeit bei Adel und gehobenen Bürgertum beliebt.

Das weiße Brautkleid

Im Jahr 1600 heiratete Maria de Medici den französischen König Heinrich IV. Sie trug dazu ein eierschalenfarbenes Brautkleid mit goldenen Stickereien und löste so einen Trend aus.
Darauf folgten weitere Adelshochzeiten mit einer Braut in Weiß: 1613 heiratete Prinzessin Elizabeth Stuart den pfälzischen Kurfürsten Friedrich V in einem hellen Kleid. Ihre Enkelin, Prinzessing Maria Stuart heiratete 1641 William II, den Prinz von Oranien in einem silbrig-weißen Kleid.

Seit dieser Zeit ist das weiße oder cremefarbene Brautkleid als Symbol für Jungfräulichkeit, Unschuld, Reinheit und Unsterblichkeit und auch die Prinzessinnenreferenz der Braut in Europa beliebt.

Antikisierende Gewänder

Mit der Französischen Revolution kamen in Europa erstmalig frauenemanzipatorische Bestrebungen auf und mit der Gesellschaft sollte auch die Mode demokratisiert werden.
Revolutionäre Künstler wie Jacques Louis David zeigten, in Anlehnung an die antiken Demokratien, auf Bildern und Bühnen Frauen in tunika-ähnlichen Gewändern und die realen Revolutionärinnen begeisterten sich für diese Kleidung. Der Schnitt dieser bequemen Hemdkleider war einfach, das Material – ein dünner Baumwollmusselin – war billig und die Farbe war einheitlich Weiß.
Seit 1770 gab es das erste Konfektionsgeschäft in Paris, in denen Kleidung vorgefertigt gekauft werden konnte. Mit der Abschaffung der Zunftgesetze durch die Revolution und dem Trend zu einfacheren, normierten Kleidern, entstanden in Paris Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche neue Konfektionsgeschäfte. Dazu wurden seit Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr wöchentlich erscheinende Modejournale veröffentlicht, in denen sich modebewusste Damen über die neuesten Moden informieren konnten.
Die Gleichheit aller Menschen schien also auch in der Mode fast erreicht. Doch leider erwies sich das dünne, weiße Hemdkleid für die arbeitende Frau als unpraktisch.

Der Empirestil

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Empirestil: bürgerliche Frauen trugen nach wie vor leichte, weiße Hemdkleider aus Baumwolle und orientierten sich stilistisch an der römischen Antike. Die Taille dieser Kleider rutschte bis unter die Brust nach oben, der Ausschnitt wurde sehr tief und der Saum bodenlang oder sogar mit Schleppe versehen. Gegen die winterliche Kälte drapierte man sich einen hauchdünnen Kaschmirschal über die Schultern.
Das Hemdkleid, welches zunächst die Mode demokratisieren sollte, teilte die Bevölkerung wieder eindeutig in einen exklusiven Kreis, der seine Zeit in schöngeistigen Salons verbrachte und die breite Bevölkerung, die draußen körperlich hart arbeitete.
Auch für Brautkleider war ein Kleid im Empirestil und in der Farbe Weiß populär. Während die Tageskleidung für Frauen ab 1820 wieder farbig wurde, blieb die vorherrschende Farbe für das Brautkleid Weiß.

Die britische Königin Victoria heiratete 1840 in einem Kleid aus weißer Spitze und 1854 heiratete auch Elisabeth von Bayern in einem opulenten weißen Kleid Kaiser Franz Joseph.

In ländlichen Gegenden und bei der einfachen Bevölkerung waren schwarze Brautkleider jedoch nach wie vor üblich. Meist trugen die Bräute eine spezielle Hochzeits- oder Festtagstracht in festlichem Schwarz, ärmere Frauen trugen ihr bestes schwarzes Kleid, das praktischer und leichter zu reinigen war, als ein weißes Kleid.

Foto: Brautpaar in den 1890er Jahren
Foto: Braut in schwarzem Kleid zur Jahrhundertwende
Foto: Brautpaar zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Frauen, die zum zweiten Mal heirateten oder schon Kinder in die Ehe brachten, war das Tragen von einem weißen Brautkleid sogar verboten.
Die Farbe Schwarz war außerdem seit der Französischen Revolution das bürgerliche Standesabzeichen, da die Vertreter des Dritten Standes (also alle, die nicht zu Adel oder Klerus gehörten) in der Nationalversammlung einen schwarzen Frack anlegen mussten.

Das weiße Brautkleid für alle Frauen

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das weiße Brautkleid für Frauen aus allen Schichten und nach persönlichem Geschmack möglich. Zunächst noch lang und keusch, gibt es seit den 20er Jahren verschiedene und sich immer schneller wechselnde Brautmoden und -trends.

Foto: Braut mit Brautjungfern, 1929
Foto: Brautpaar in den 1930er Jahren
Foto: Brautpaar in den 50er Jahren
Foto: Brautpaar in den 60er Jahren

Königliche Hochzeiten und Promihochzeiten sind auch im Laufe des 20. Jahrhunderts ein zuverlässiger Indikator für die aktuellen Brautmodentrends oder schaffen sogar neue Trends, wie z.B. das stoffreiche Brautkleid von Lady Di 1981, das nach den kurzen und mädchenhaften Brautkleidern der 60er und 70er Jahre einen Trendwandel hin zu üppigen und verschwenderischen Brautkleidern einleitete.

Foto: Prinzessin Diana im Hochzeitskleid

Die zeitgemäße Braut

Praktische Erwägungen und Nachhaltigkeit sind heute für viele Bräute wieder ein Thema.
Weiß ist zwar noch die üblichste Farbe für ein Brautkleid, allerdings kann die Braut heute ganz individuell auch farbig heiraten, oder einen weißen Stoff wählen, der nach der Hochzeit umgefärbt wird und das Kleid später zu anderen Gelegenheiten getragen werden kann.

Es muss auch kein opulentes Brautkleid mit mehreren Unterröcken, Stickereien und Spitze sein. Genauso können Frauen heute im schlichten Etuikleid, im lässigen Jumpsuit oder im leichten Leinenkleid heiraten, bei der Trauung hochschwanger sein, oder auch gar nicht heiraten.

In meiner aktuellen Frühjahr-Sommer Kollektion habe ich zwei Outfits für die individualistische Braut entworfen: ein weißes Etuikleid aus einem festen Bio-Baumwoll Twill mit einem Faltendetail im Rock und dazu ein leichter Mantel mit hausgemachtem Ringkirche-Print in Pastellfarben aus Bio-Baumwoll Satin. Alternativ eine Bluse aus reinseidenem Crêpe de Chine in Puderrosa und ein schmaler Rock mit Faltendetail aus Bio-Baumwoll Satin.

Foto: frühlingshafter Mantel mit Ringkirche-Print Foto:Seidenbluse in Puderrosa und Tulpenrock mit Ringkirche-Print

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