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Modegeschichte

Haute Couture

Foto: Verkäuferinnen drapieren die Auslage im House of Worth

Bedeutung

"Haute Couture" lässt sich mit "gehobener Schneiderei" übersetzen und wird oft als Sammelbegriff für aufwendig handgearbeitete Kleidungsstücke verwendet.

In Frankreich juristisch geschützter Begriff

Eigentlich ist die in Frankreich geschützte Bezeichnung "Haute Couture" allerdings sehr genau definiert, und zwar von der 1868 gegründeten Pariser Schneiderinnung "Chambre Syndicale de la Couture Francaise" (seit 1911 "Chambre Syndicale de la Couture Parisienne") und der ebenfalls 1868 gegründeten Interessenvertretung der Haute Couture "Chambre Syndicale de la Haute Couture".

Der Begründer der Haute Couture

Als Begründer der Haute Couture gilt der Brite Charles Frederick Worth, der 1858 sein Modehaus "Worth et Bobergh" in Paris eröffnete. Er kam als Erster auf die Idee, mehrmals pro Jahr kleine Kollektionen zu entwerfen und diese seinen betuchten Kundinnen auf Mannequins im Salon seines Modehauses zu präsentieren.
Worths Kundinnen, darunter Kaiserin Elisabeth von Österreich und Kaiserin Eugnénie von Frankreich, reisten aus der ganzen Welt extra an, um sich die edlen Modelle der Kollektionen auf Maß im House of Worth zu exorbitanten Preisen anfertigen zu lassen. Worth beschäftigte dazu zeitweise 1.200 Näherinnen.

Selbstverständlich gab es auch schon vor Worth exquisite Modeateliers. Dort wurden allerdings Kleidungsstücke auf Maß nach den exakten Vorstellungen der Kundinnen gefertigt. Charles Frederick Worth vereinte erstmals den gestalterischen Prozess mit der handwerklichen Fertigung, schuf eigene Kreationen und versah die Modelle mit Etiketten, in denen sein Logo eingewebt war. Außerdem verkaufte er Lizenzen der Schnittmuster seiner Designs an ausländische Firmen, die seine Modelle kopierten und Worths Popularität noch verstärkten.

Kaiserin Elisabeth von Österreich in einem Kleid von Worth
Kaiserin Eugénie von Frankreich in einem Kleid von Worth
Baronin Lady Curzon in einem Kleid von Worth

Worths Konzept wurde schnell von weiteren, teilweise weitaus günstigeren Pariser Couturiers und Couturières aufgegriffen, wie Jacques Doucet, Jeanne Paquin (die erste weibliche Modeschöpferin), den Callot Soeurs und ab 1903 Paul Poiret.

In den Zwischenkriegsjahren prägten vor allem vier Modeschöpferinnen mit jeweils sehr eigenen Stilen das Pariser Couture Geschehen: Jeanne Lanvin, Madeleine Vionnet, Coco Chanel und Elsa Schiaparelli. Alle vier Modehäuser existieren bis heute, bzw. wurden in den letzten Jahren wiedereröffnet.

Modell von Jeanne Lanvin
Modell von Madeleine Vionnet
Modell von Elsa Schiaparelli

Das Goldene Zeitalter der Couture

1947, nur zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs schuf Christian Dior seine erste Kollektion (von der Zeitschrift Harper's Bazaar "New Look" getauft) mit verschwenderischen Stoffmengen und aufwendigen Details und läutete das Goldene Zeitalter der Couture ein. Bis Diors Tod 1957 befand sich Europa und Nordamerika im Rausch der Haute Couture und die großen Pariser Couturiers Christian Dior, Jacques Fath, Cristobal Balenciaga und Pierre Balmain diktierten den Stil.
Italien hält ab 1951 eigene Couture Schauen mit italienischen Modehäusern ("Alta Moda").

Modell von Christian Dior, 1947
Modell von Jacques Fath
Modell von Cristobal Balenciaga

Seit den 60er Jahren schwindet der Einfluss der Haute Couture auf den internationalen Modegeschmack und regelmäßig wird das baldige Ende der Haute Couture ausgerufen.

Strenge Kriterien

Um ihre Kreationen als "Haute Couture" bezeichnen zu dürfen, müssen sich Modehäuser und DesignerInnen heute noch jede Saison, also zweimal pro Jahr, bei der Chambre Syndicale de la Haute Couture um die Vollmitgliedschaft in derselbigen bewerben.

Die Modehäuser müssen dafür folgende Kriterien erfüllen:

  • Der Unternehmenssitz muss in Paris sein.
  • Eine Haute Couture Kollektion muss aus mindestens 35 Kleidungsstücken bestehen.
  • Diese müssen als Unikate von einer Modeschöpferin oder einem Modeschöpfer in Paris entworfen worden sein.
  • Es müssen mindestens 15 Angestellte in Vollzeit bei dem Unternehmen in Paris beschäftigt sein und an der Umsetzung der Modelle in Handarbeit arbeiten.
  • Die Kollektion muss während der Couture Schauen in Paris präsentiert werden.

Zeitaufwendige und kostspielige Fertigung

Klassisch werden in den Haute Couture Kollektionen aufwendige Abendroben mit Stickereien Drapierungen gezeigt.
Diese können, wie schon vor über 100 Jahren bei Charles Frederick Worth, nach der Modenschau von den betuchten Kundinnen auf Maß bestellt werden und hängen, im Gegensatz zur Prêt-à-Porter, nicht weltweit hundert- oder tausendfach in den Läden.

Da die Herstellung solcher Roben extrem zeitaufwendig und teuer ist (mehrere SchneiderInnen und StickerInnen arbeiten bis zu 1000 Stunden an einer Robe aus Dutzenden Metern edelster Materialien) leisten sich heutzutage nur noch wenige Modehäuser eine separate Haute Couture Kollektion und nur wenige Kundinnen maßgeschneiderte Haute Couture Roben (weltweit sind es schätzungsweise 400 Prinzessinnen und Milliardärinnen), die bis zu 500.000 € kosten.

Eine Handvoll Grand Couturiers

Während die Chambre Syndicale de la Haute Couture nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch über 100 Mitglieder zählte (und 40.000 Kundinnen), sind es mittlerweile nur noch 13 "Grand Couturiers" und zusätzlich einige Designer, die zwar nicht die strengen Kriterien erfüllen, aber für eine Saison von der Chambre Syndicale zu den Couture Schauen eingeladen werden und dann ebenfalls rechtmäßig die Bezeichnung "Haute Couture" verwenden dürfen.

Die "Grand Couturiers", bzw. "Maison de Couture" und geladenen DesignerInnen der letzten Couture Schauen im Juli 2016 sind:
Adeline André, Alexandre Vauthier, Alexis Mabille, Aouadi, Atelier Versace, Chanel, Christian Dior, Elie Saab, Francesco Scognamiglio, Franck Sorbier, Giambattista Valli, Jean Paul Gaultier, Giorgio Armani Privé, Guo Pei, Ilja, Iris van Herpen, J Mendel, Julien Fournie, Maison Margiela, Ralph & Russo, Stéphane Rolland, Schiaparelli, Valentino, Vetements, Viktor & Rolf, Yuima Nakazato und Zuhair Murad.

Die Zukunft der Haute Couture

Aufgrund der strengen Kriterien und der unverhältnismäßigen Dekadenz der Haute Couture, wird diese schon seit Jahren von KritikerInnen totgesagt.

Modehäuser, die seit Jahrzehnten zu den Mitgliedern der Chambre Syndicale zählten, müssen aufgrund schlechter Auftragslage schließen (z.B. Jean-Louis Scherrer oder die Haute Couture Kollektion von Yves Saint Laurent). Andererseits gibt es auch Modehäuser, die mittlerweile ausschließlich Haute Couture fertigen, wie z.B. Viktor & Rolf oder Jean Paul Gaultier.

Während die Einen die Haute Couture als bloßes medienwirksames Spektakel und Imagepflege von Brands halten, die ihr Hauptgeschäft mit Accessoires und Kosmetik machen, sehen die Anderen die Haute Couture Kreationen als wahre Kunstwerke an, die zu Recht heutzutage immer häufiger in den wichtigsten Museen der Welt ausgestellt werden.
Die Grenze zwischen Kunst und Kommerz ist in der Haute Couture sicherlich fließend, da hinter den DesignerInnen milliardenschwere, globale Luxuskonzerne oder Investoren stecken.

Raf Simons (Chefdesigner bei Dior bis 2015: Suzy Menkes über Raf Simons Werk ) begeisterte 2012 das Publikum mit seiner ersten Dior Haute Couture Kollektion: er entwarf elegante und tragbare Abendkleider mit klaren Formen und funktionalen Details, wie aufgesetzten Taschen und leitete damit eine Revolution der Haute Couture ein.

Bei den Couture Schauen werden mittlerweile immer häufiger unkomplizierte, tragbare Modelle gezeigt.
Aufwendige, handgearbeitete und exklusive Kleidungsstücke müssen selbst in der Haute Couture heute kein Exzess aus Perlen, Pailletten und Tüll mehr sein.

Die Chambre Syndicale leistete sich im Frühjahr diesen Jahres einen Skandal, als sie verkündete, für die Couture Schauen im Juli das gehypte Streetwear Label Vetements einzuladen. Vetements zeigte tatsächlich einfach die Prêt-à-Porter Kollektion , eine Kollaboration mit 18 verschiedenen Brands, wie Carhartt oder Juicy Couture, die aus Latzhosen, Bomberjacken und Sewatshirts besteht.
Leider gab es keine Stellungnahme seitens der Chambre Syndicale zu ihrer Entscheidung, Vetements zu den Couture Schauen einzuladen.

Der Begriff "Haute Couture" scheint also gerade seine Bedeutung zu verlieren.
Klare Definitionen von Begriffen und die korrekte Verwendung drücken nicht nur Wertschätzung aus, sondern sind auch die Grundlage eines konstruktiven Diskurses, der im Jahr 2016 offenbar immer unmöglicher wird.

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