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Modegeschichte

Das kleine Schwarze

Foto: Louise Brooks im kleinen Schwarzen, 1929

Schwarze Kleider im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert waren schwarze Kleider für verwitwete Frauen als Trauerkleidung vorgesehen. Die Trauer für Witwen sollte mindestens zwei Jahre dauern und es gab strenge gesellschaftliche Regelungen, auf welche Art und Weise und wie lange diese Kleidung getragen werden sollte: absolut schwarze und einfache Kleidung ohne Schmuck für ein Jahr und einen Tag der Trauer, danach eine neunmonatige Trauerphase, in der schwarze Seide getragen werden durfte.
Darauf folgte eine dreimonatige Phase, in der die Bekleidung mit schwarzen Bändern, Spitze oder Jet-Schmuck dekoriert werden durfte. Schließlich endete die Trauer mit einer sechsmonatigen Phase, während der die Witwe die schwarze Trauerkleidung mit anderen dunklen Farben kombinieren durfte, z.B. mit Violett.

Foto von Helen Taft und May Allison

Erste Popularität in den 20er Jahren

Aufgrund des Ersten Weltkriegs und der vielen gefallenen Soldaten in Europa, wird es zu Beginn der 1920er Jahre für viele Menschen alltäglich, schwarz gekleidete Frauen im Straßenbild zu sehen und einige Modedesigner beginnen, schwarze, einfache Kleider in ihren Kollektionen zu zeigen, z.B. Jean Patou, Paul Poiret und Gabrielle Chanel, die selbst um ihren 1919 verstorbenen Liebhaber trauert.
Erste Popularität gewinnt das kurze, schwarze Kleid 1926 mit einem Foto eines Entwurfs von Chanel in der US-Vogue. Die Vogue nennt das Kleid "Chanel's Ford", in Anlehnung an das T-Modell von Ford, das als erstes Auto vom Fließband anfänglich nur in Schwarz produziert wurde.

Die US-Vogue prophezeit 1926 über das schwarze Kleid von Chanel: "Dieses schlichte Kleid wird eine Art von Uniform für alle Frauen mit Geschmack werden."

Zunächst haftet dem Kleinen Schwarzen jedoch etwas Verruchtes an, da ein schwarzes Kleid für die meisten Menschen Witwentrauer und somit eine allein lebende Frau bedeutet. Es wird zum Symbol für die "Femme Fatale", was für die Einen gleichbedeutend mit einem Flittchen ist, für die jungen Frauen allerdings ein modernes Frauenbild verkörpert. So wird das Kleine Schwarze in der Flapper-Mode sehr beliebt.

Das kleine Schwarze in Film und Fernsehen

Die amerikanische Designerin Nettie Rosenstein und die italienische Designerin Elsa Schiaparelli kreieren kurze, schwarze Kleider und das kleine Schwarze wird immer beliebter. Während der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre entwickelt sich das kleine Schwarze zu einer eleganten und günstigen Alltagskleidung, da es auf viele unterschiedliche Arten kombiniert werden und auch abends als schlichte Abendgarderobe getragen werden kann.
Im amerikanischen Fernsehen wird die Zeichentrickfigur Betty Boop im Kleinen Schwarzen gezeigt.
Die französische Chansonsängerin Édith Piaf trägt auf der Bühne ausschließlich ein kleines Schwarzes, damit sich das Publikum auf ihre Stimme konzentriert und nicht von aufwendigen Kostümen abgelenkt wird.
Obwohl im Kino nun auch Farbfilme gezeigt werden, bleiben schwarze Kleider an den Hauptdarstellerinnen beliebt, da mit der damaligen Technik farbige Kleider schnell zu grell wirken.

Kriegsjahre und Nachkriegszeit

Aufgrund der Stoffrationierungen und Rohstoffknappheit während des Zweiten Weltkriegs tragen immer mehr Frauen das kleine Schwarze und schätzen es als sehr flexibles und praktisches Kleidungsstück: tagsüber wird es mit passenden Accessoires von der immer größer werdenden Zahl berufstätiger Frauen im Büro getragen und abends bei feierlichen Anlässen.
In der Nachkriegszeit werden immer mehr Textilien aus synthetischen Fasern entwickelt, so kann das kleine Schwarze günstiger produziert werden und wird für alle Frauen bezahlbar. Aufgrund Diors aufwendigem „New Look“ wird das kleine Schwarze jedoch zunächst in seiner Schlichtheit wieder als Symbol für die „Femme Fatale“ aus dem Alltag verdrängt.

Der Siegeszug des kleinen Schwarzen

Der Siegeszug des Kleinen Schwarzen gelingt ab den 1960er Jahren und viele Filmstars tragen das kleine Schwarze auf der Leinwand und in der Öffentlichkeit, z.B. Marilyn Monroe in „Manche Mögen's Heiß“.

Filmstill von Some Like It Hot

Das berühmteste kleine Schwarze wird das von Hubert de Givenchy für Audrey Hepburn kreierte Kleid, das sie als Holly Golightly in „Frühstück bei Tiffany's“ trägt. Während des Films zeigt Hepburn die Wandelbarkeit des Kleids mit verschiedenen Accessoires und sieht immer umwerfend aus.

2006 wird das Holly Golightly Kleid für knapp 300.000 € versteigert.
Das kleine Schwarze wird durch Hollywood endgültig von seiner Frivolität befreit und gilt seit den 60er Jahren als Inbegriff für Stil und Eleganz. Es ist bis heute ein Must-Have für jede Frau.

Eine moderne, sommerliche Interpretation des kleinen Schwarzen zeige ich in meiner aktuellen Kollektion. Das kleine Schwarze aus Bio-Baumwolle ist in A-Linie geschnitten,ärmellos, mit einem konstruktivistischen Kragen, verdeckter Knopfleiste und einem Bindegürtel.

ärmelloses Sommerkleid mit konstruktivistischem Kragen, verdeckter Knopfleiste und Bindegürtel aus schwarzer Bio-Baumwolle

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